Jugendliches Landleben in Waldbröl „Wenn ich Glück habe, fährt ein Bus“ 2019

„Manchmal zwitschern die Vögel so laut, dass ich nicht einschlafen kann“, sagt Samanta und lacht. Julian setzt noch einen drauf: „Bei uns im Dorf fliegt momentan ein Uhu rum. Das ist schon was besonderes, den gibt es sonst nur in Steinbrüchen.“ Die beiden 14-jährigen Schüler sind zwei von elf Jugendlichen der Gesamtschule Waldbröl, die in dieser Woche am Workshop „Land in Sicht“ teilnehmen.Durchgeführt wird der Workshop von „Jugendstil“, dem Kinder- und Jugendliteraturzentrum NRW gemeinsam mit dem Autor und Blogger Michael Schumacher.

Experiment

Das Projekt findet in Kooperation mit Bibliotheken statt. Christiane Kleinfeld von der Stadtbücherei Waldbröl hatte sich erfolgreich um die Teilnahme beworben und freut sich, dass die Jugendlichen an dem Workshop teilnehmen können. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. „Wir wollen einfangen, wie die Stimmung von jungen Leuten ist, die auf dem Land leben. Was gefällt und was nicht“, sagt Kleinfeld. Die Teilnahme an dem Workshop ist freiwillig, die Jugendlichen im Alter von zwölf bis 16 Jahren werden dafür von der Schule freigestellt.

 

Es gibt viel zu bereden

Und schon in der Kennenlernrunde wird deutlich: Es gibt jede Menge Gesprächsstoff. Neben den tierischen Bewohnern in der Nachbarschaft, sind auch die übersichtlichen Busfahrpläne und der ein oder andere längere Fußmarsch ein großes Thema. „Ich wohne außerhalb von Nümbrecht in einem kleinen Kaff“, erzählt Hannah. „Wenn ich Glück habe, fährt einmal pro Stunde ein Bus, sonst muss ich laufen.“ Julian hat es da schon etwas besser. Er wohne zwar auch in Nümbrecht, aber immerhin im „Zentrum“, da gebe es sogar einen Supermarkt in der Nähe. Die Gruppe lacht. Auch Michael Schumacher muss bei der ein oder anderen Geschichte schmunzeln. Der 61-jährige Poetry Slammer wohnt selbst im ländlichen Xanten. „Es ist doch schön auf dem Land, oder etwa nicht?“, fragt er in die Runde. Viele nicken, Dana nicht. „Ich will hier schnellstmöglich weg, ab in die Stadt“, sagt die 17-Jährige. Sie sei fast jedes Wochenende in Köln, Bonn und Umgebung, um Freunde zu besuchen. Auf dem Land habe man irgendwann alles gesehen und kenne jeden, das sei doch langweilig. Die zwölfjährige Cora kann das nicht so recht nachvollziehen. „Wir haben einen Wald als Garten, wer hat das schon“, sagt sie. Was allerdings alle Schüler etwas stört, sind die langen Fußwege zur Schule. „Ich muss immer den ganzen Berg runter und dann gegenüber wieder hoch. Warum baut man nicht einfach eine Brücke?“, fragt sich Lara (15) und erntet zustimmendes Nicken aus der Runde. Michael Schumacher ist begeistert von so viel Input. In einem Internetblog möchte er gemeinsam mit der Gruppe alle Geschichten festhalten. In welcher Form, ist den Jugendlichen dabei vollkommen selbst überlassen. „Ihr könnt richtig kreativ werden und euch austoben“, sagt Schumacher.

 

Und trotz langer Fußwege, wenigen Bussen oder lautem Vogelgezwitscher klingt schnell durch: Eigentlich ist das Leben auf dem Land doch gar nicht so übel – viele kenne es schließlich nicht anders. Außer Jaron. Der Neuntklässler ist jedes zweite Wochenende bei seinem Vater in Köln. Anstatt durch die Fußgängerzonen zu schlendern, fährt er dann allerdings lieber mit seinem Fahrrad am Rhein entlang – da gebe es nämlich keine Berge.

 

Tief im Inneren scheint das Landkind also doch fest verankert zu sein. Welche Geschichten und Ideen am Ende beim Workshop, auch in anderen Kommunen, rausgekommen sind, kann man sich dann online anschauen unter (Von Linda Thielen, OVZ, 06.02.19)

www.jugendstil-nrw.de